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Erst vier Tage hatten wir in „APHRODITE“ verbracht, als wir am Sonnabend, dem 10. September 2005, in die Pyrenäen (vgl. Karte) aufbrachen.
Marie-Odile, unsere aus Montpellier stammende französische Freundin und frühere Lehrerkollegin – sie war zu DDR-Zeiten sozusagen sowohl in Jena als auch in Leipzig zu Hause – begleitete uns. Und dies mit besonderer Freude, da sich die Ferien der fünf Geschwister mit den Eltern zusammen vorzugsweise in den Pyrenäen abgespielt hatten. Unser ersehntes Ziel hieß Odeillo mit seinem weltgrößten Sonnenofen, errichtet im Jahre 1969, der uns aus einem Unterrichtstext für Naturwissenschaftler zur Ausbildung unserer Studenten für den Auslandseinsatz in lebendiger Erinnerung geblieben war.
Der Ort sollte sich bei Font-Romeu in 1800 m Höhe befinden. Mit warmer Kleidung und festem Schuhwerk ausgerüstet, folgten wir von
Rivesaltes aus der N9 bis Perpignan, um dann in Richtung Prades die N116 zu nutzen, die uns bis
Mont-Louis in 1600 m Höhe (vgl. unseren eigenen Ausflug 2001)
bringen sollte. Es empfiehlt sich im übrigen, bei der Abfahrt so rasch wie möglich zu tanken, denn eine Zapfsäule auf unserer Seite steht aus Leucate kommend erst wieder nach 77 km, bei SUPER U in Prades.
Auf dem Wege Zeichen des Schreckens in diesem Sommer: nicht enden wollende Höhenzüge zur Rechten, deren Waldbestand nur zu gründlich Opfer von Feuerwalzen geworden sein muß. (Genau das haben wir selbst wenige Wochen zuvor im August mit eigenen Augen gesehen)
Die Wegweiser zu berühmten Bauwerken wie dem Rempart de Villefranche de Conflent
oder der Abbaye de Saint-Michel de Cuxa haben wir im Gedächtnis behalten,
les Orgues d’Ille-sur-Têt
en passant erkannt und bestaunt.
Der Petit Train Jaune (vgl. unseren eigenen Ausflug 2001) erregt unsere Aufmerksamkeit über lange Strecken, insbesondere auf Respekt erheischenden gewaltigen Brücken. Auch wir gewinnen unweigerlich an Höhe, auf Straßen von genügender Breite mit Gegenverkehr winden wir uns unserem Ziel entgegen.
In Mont-Louis (vgl. unseren eigenen Ausflug 2001) , dem Tor zur Cerdagne, haben wir 1600 m erreicht und haben trotz tiefer Regenwolken zeitweise einen freien Blick auf den ersten Sonnenofen Frankreichs (vgl. unseren eigenen Ausflug 2001) aus dem Jahre 1953, der aber erst 1993 seine Aktivitäten aufgenommen hat. Wir finden ihn in der höchst gelegenen Vauban-Festungsanlage Frankreichs, der Ort benannt nach Louis XIV. Aber es zieht uns weiter, denn wir wissen, daß diese Anlage der Vorgänger des riesigen Four Solaire in Odeillo ist, von dem jedoch bis jetzt nirgends die Rede ist und war.
An den durch diese und andere Ortschaften führenden Straßen wird deutlich, daß viele Gebäude nur noch verblichene Pracht darstellen, vieles liegt verlassen und wartet auf bessere Zeiten. Die Mühe, in weiteren 200 m Höhe Odeillo zu erreichen, wird nun belohnt. Obwohl Hinweise schmerzlich fehlen, wir aber der Sprache zum Glück mächtig sind und unterwegs fragen können, liegt nun wie durch Zauberhand der im Licht der mittäglichen Pyrenäen funkelnde Sonnenofen zu unseren Füßen.
Das katalanische Pyrenäenmassiv uns gegenüber, dessen Südhang – wie stets – Soulane genannt wird, der Nordhang immer Ombrée, der Versant Sud also spiegelt sich im Hohlspiegel des gewaltigen Instrumentes. Als Einrichtung des CNRS arbeitet das System seit 1969 mit 63 beweglichen Heliostaten, d.h. mit ausrichtbaren Planspiegeln, die die Sonnenstrahlen auf einen Parabolspiegel von 2000 m2 bündeln, welcher sich aus 9130 kleinen Konkavspiegeln zusammensetzt. So kann die Sonnenenergie konzentriert werden in einem Herd, in dem die Temperatur auf über 3500°C steigen kann. Als Anwendungsgebiete dieser Forschungen werden uns Materialuntersuchungen für Weltraumeinsätze, die Umweltproblematik und die Energiegewinnung dargestellt. Günstige meteorologische Voraussetzungen an einem solchen Hang garantieren hier in den Pyrenäen maximale Sonneneinstrahlung.
An unserem Besuchstag aber kommen und gehen die Wolkenvorhänge, und während unseres Aufenthaltes in der „Exposition permanente“ geht sogar ein furchterregendes Gewitter nieder, wie uns das donnernde Klopfen des Regens auf dem Dache klarmacht. Die Details der faszinierenden Vorgänge in der Ausstellung bleiben uns beiden Philologinnen keineswegs verborgen, mein Mann als gestandener Astronom weiß sehr wohl mit den Aufgaben einer solchen Institution umzugehen und sie uns nahe zu bringen. Es ist uns aber auch eine deutschsprachige Mappe überreicht worden und freundlicherweise wurde speziell für uns Drei der Einführungsfilm in Deutsch geboten.
Die Cerdagne mit ihren klimatischen Vorteilen ist seit dem Jahre 1901 Versuchsfeld zur Elektrogewinnung und einem ersten hydroelektrischen Projekt. 1963 ermuntert der Erfolg der beiden Sonnenofen-Projekte in Mont-Louis und in Odeillo zum Bau des Sonnenturms in Targassonne, der aber seine Arbeit wieder eingestellt hat und heute einen touristischen Stellenwert erhält. Im Midi Libre lesen wir übrigens tags darauf, daß am Wochenende die braune Jungfrau von Font-Romeu in einer Prozession durch die von uns gefundenen Bergstraßen getragen wurde. Wir hätten an diesem Tag zwar den Weg rascher gefunden, aber unser Zeitplan wäre wohl dadurch beeinflußt worden. Tief befriedigt von den Eindrücken aus Natur und Technik nahmen wir die Heimreise in Angriff.
Was ich als junge Lehrerin für außerhalb jeder Reichweite gesehen hatte, war Wirklichkeit geworden. Wie hätte ich von dem Erlebnis schwärmen und so den Gegenstand zum Leben erwecken können!Mit einem Abstecher in die spanische Exklave Llivia (vgl. Karte) , natürlich begleitet vom Erproben der spanischen Sprache und dem von Marie-Odile empfohlenen Erwerb des Turrón El Artesano, Calidad Suprema, einer exklusiven spanischen Pralinentafel in mehreren Geschmacksrichtungen, kehrten wir glücklich und erfolgreich auf bekanntem Wege und bei freundlichem Wetter nach Leucate, Villages Naturistes, zurück.
Aber seit der Wende gibt es unser Institut in Jena schon lange nicht mehr!
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Im Netz seit: 24.10.2005 |
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